In Wolgograd noch den Flug nach Frankfurt gebucht, mit einem Tag Puffer. Also in 3 Tagen 1000 KM sollten ja locker möglich sein – dachte ich mir so und begab mich auf die Reise.
Nicht weit von Wolgograd entfernt machten sich schon wieder die ersten Motorrad Probleme bemerkbar, welche ich aber diesmal hoffte einschätzen zu können. Schwammiges Fahrwerk Gefühl. Der „Arsch zieht nicht mit“ nach dem einlenken und knarzen machte sich zusätzlich bemerkbar. Ich erahnte Radlager, oder das Antriebsflanschlager. Online auf dem Handy suchte ich eine Werkstadt oder Schraubmöglichkeit heraus.
Der Weg dorthin war sehr beschwerlich. Ständig im Gedanken den Flieger am nächsten Tag nicht erreichen zu können. Ständig die KM rückwärts gezählt und wie viel Stunden ich noch hätte. Zur Not dachte ich mir, einfach die ganze Nacht durchfahren, sind ja nur noch ein paar KM. Dann sah ich eine Polizei Kontrolle an einer Y-Kreuzung. Naja – als Deutscher geht man mit wohlwollendem Gewissen hin gemäß dem Motto: „Dein Freund und Helfer“. Arschlecken. Nach meinem Kopfkino mit dem Motorrad Worst-Case war ich eh schon emotional auf 180 gepolt. Naja von vorne:
Ich sah die Polizei, also hielt ich an. Fuhr über die Fahrbahnspur rüber auf den Sand, da dort ein großer Parkplatz zum Halten sich befand. Macht ja auch Sinn, statt auf einen 10 CM Streifen zu stehen und die 40Tonner knallen in 15 – 20 CM Abstand an einem vorbei. Ich schaute auf mein Handy, prüfte die Position auf der Karte. Checkte die Distanz zur Werkstatt. Kurz entschlossen, um mich zu vergewissern, fuhr ich rüber zur Polizei und wollte nach dem Weg fragen. Da kam auch schon einer der beiden Polizisten auf mich zu und meinte mir schnell verständlich mitzugeben: „mitkommen“. Setze mich in den Wagen auf den Beifahrersitz zu seinem Partner und dann ging es los. Ausweis, Führerschein – „her mit“. Also gab ich ihn meine Dokumente. Der Fettsack am Steuer, Sitz nach hinten, Ranzen so groß, dass das Lenkrad an seinem Nabel staucht, auf der ganzen Wampe ein riesen Plan, X-Mal bekritzelt. Dort machte er eine neue Lebenslinie und wollte mir grafisch darstellen, dass ich über eine durchgezogene Linie gefahren bin. „STRAFF“ – ich erwiderte: „Wie? Was STRAFF“ wie „STRAFF“ – „ICH FRAG DICH NACH HILFE!!!, so Help, Werkstatt, Machina, Njet rabotta, Reperatur, Service Problem“ – Juckte ihn überhaupt nicht, er wieder: „NJET, DAWEI DAWEI, STRAFFFFFF“ Sehr sehr endgültiger Ton und sehr dominant und laut. – Also fragte ich: „How much straff?!?!“ – er, „100, no, no 150 Rubel“ kurze Pause und schaute aus meinem Auswei „äh Euro“ – dann ging bei mir vollkommen die Sicherung durch und schreite ihn vollkommen an: „BIST DU BESCHEUERT, ICH FRAG DICH NACH HILFE UND DU STRAFF?!?!?? 100€???“ Stellte ich in Frage und schrie direkt weiter „1000€ STRAFF!!!!“ – Er schrie unerkenntliches (Sukka, Bljed und so zeug, also Flüche am laufenden Band) zurück auf russisch, rastete ebenso aus, packte mich am Ärmel knallte meine Dokumente zusammen, drückte meine Schulter und schmiss mich aus seinem Wagen. Ich lief fluchend aus dem Auto raus, über die Straße, wie ein Kolleriger an seinem Kollegen vorbei zum Motorrad und machte mich vom Acker. Die Seitentür war noch auf und der Kollege auf der Straße hörte den Fahrer aus dem Auto fluchen, mich auf meiner Muttersprache ebenbürtige Wörter – Er sagte kein Ton, lies mich laufen. Boa war ich sauer. Was fragt das Arschloch korrupt nach Geld, während ich kein Meter mehr fahren konnte? Moped an und U-Turn, wieder über die gezogene Linie. Ab in Richtung Stadt
Anmerkung: Im Nachgang die Situation mal analysiert… das hätte auch sehr, sehr böse anders ausgehen können und ich hatte richtig Schwein gehabt. Hatte überhaupt nicht damit gerechnet, wenn einer in der Scheisse steckt, dass dann noch einer von oben kommt und noch einen Haufen draufsetzt, damit es besser schmeckt.
Weiter im Takt, ich muss zum Flieger, Tiblissi is calling:
Also fuhr ich zu nächsten Werkstatt und packte die aus der Heimat mitgenommenen Lager aus, war schon früher Nachmittag mittlerweile geworden, um dann schleunigst diese einbauen zu können. Die Werkstatt wollte aber nicht, dass ich auf dem Hof das Schrauben anfange. Also packte ich meine Sachen und bin zum Nachbarn, wo man mich hingewiesen hatte. Dieser wiederum sagte zu Beginn ja ich könne hier schrauben, jedoch nachdem ich all mein Gepäck abgepackt hatte, hatte er sich das auch wieder anders überlegt. Parallel hatte er sich netterweise aber nach einem Motorrad Enthusiasten gekümmert, an welchen er mich verwiesen hatte. Also wieder ein paar Meter fahren. An der Garage angekommen, schraubte ein Mann an einem Auto geschlossen in der Garage. Ich stellte mich vor, wie ich konnte – Hände und Füße und 3 Wörter russisch. Er nickte und fragte wo mein Problem sei. Versuchte ihm das mit den Händen zu zeigen, Ersatzteil – Finger ins Lager – Kaputt, NJET RABOTA, er „ahh, No Problem“, „easy“ (chaz, chaz oder so brummelte er ständig vor sich hin). Also packte ich Werkzeug aus und setzte mich an die Alp. Gepäck ab, Kette ab, Hinterrad raus und schaute mir die Lager an – komisch: alles OK. Ich verzweifelte. Baute die Kiste zusammen, meinte ein weiterer dazukommender Freund von ihm – Speichen im Arsch. Mir ging die Pumpe. Noch nie mit einem Speichen Problem konfrontiert gewesen bis dato. Was also tun? Ich wusste nicht mehr weiter. Mein Gastgeber jedoch war ganz ruhig und meinte „No Problem“ und machte sich an die Speichen. Er zog die Speichen besten Gewissens nach. Ich hatte Zeitdruck ohne Ende. Wollte ja meinen Flieger von Tiblissi am nächsten Tag erwischen – 8 Uhr sollte er abheben. Holte einen weiteren Freund auf dem Motorrad bei, welche mich über 100 KM in meine Fahrtrichtung begleitete. Also ging es gerade an dem Tag schleppend bis Elista.
Elista selber ist eine Stadt, welche viele Buddhisten hat und somit sehr sehr viel zu bieten hat. Ich traf einen Motorradfreund welcher eine Goldwing fuhr. Natürlich ging ich in kein Hotel – Das ist in Russland unter Bikern nicht möglich. Erst präsentierte er mir sehr stolz die Goldwing und vor allem seine umgebaute Hupe. Ich dachte vor einem LKW zu stehen, sehr sehr laut. Nikolai stelle mich nicht nur seiner Familie vor, sondern auch seinen Motorrad Club und hat mich den ganzen Abend begleitet. Wahnsinn. Erneut durfte ich nach Wolgograd erfahren, was Bikerfreundschaft in Russland bedeutet. Einen Wildfremden Mann in dein Haus Duschen zu lassen, Zum Essen einzuladen und so viel Vertrauen vor seinen Kindern mir zu schenken.
Folgende Bilder zeigen ein paar Eindrücke:







